Ein sehr persönlicher Kommentar
Es juckte mir heute gewaltig in den Fingern, als Titel „Europa schafft sich ab“ zu wählen. Da weder das naheliegende Pendant, noch dessen Autor Begeisterungsstürme in mir hervorriefen, immerhin liegt die Veröffentlichung von „Deutschland schafft sich ab“ schon wieder 10 Jahre zurück, war der Titel mir dennoch zu nah an dem Werk des Populisten Thilo Sarrazin, dass im Folgenden keine weitere Beachtung finden sollte und wird. Für mich persönlich übrigens erschreckend, dass schon wieder 10 Jahre dazwischen liegen.
Aber was ist mit Europa los? Die schlimmste Krise seit dem 2. Weltkrieg bricht über uns herein und Europa schaut an den Fernsehern sitzend zu wie in Italien die Lichter ausgehen. Ich vermisse klare Ansagen, Statements und sinnvolle Reaktionen. Ich erwarte Hilfe und Solidarität mit jenen, die am schlimmsten darunter leiden. Aber außer über die Medien live von Italien zu berichten und deren Hilferufe zu vernehmen, passiert scheinbar nicht viel. Hilferufe der Ärzte und Betreuer, dass es an allem fehlt, seriösen Quellen gemäß verstarben innerhalb der letzten 48 Stunden 1400 Menschen in Italien, lässt mich schaudern und nur einen Schluss zu. Europa hat versagt. Nicht nur im Fall Italien, sondern im Umgang mit der Krise insgesamt, mit den Grenzschließungen der Länder, den Alleingängen, im Umgang mit der großen Unsicherheit.
Kleinstaaterei ist an der Tagesordnung. Jeder Staat kocht sein eigenes Süppchen und die erste Maßnahme war vielerorts nicht Hilfe anbieten, sondern sich abschotten. So habe ich mir Europa nicht vorgestellt. Diese große Krise wird zum Aushängeschild der Handlungsunfähigkeit der Europäischen Union, welche hauptsächlich für schöne Worte da ist und einen aufgeblasenen Apparat beherbergt, der in keiner Weise in der Lage ist, die Länder zusammenzuhalten und lediglich einen Haufen machtbesessener Bürokraten beherbergt.
Europa hat sich disqualifiziert. Die Erwartungshaltung an einen Donald Trump ist aus gutem Grund wahrlich nicht hoch und mit der Verlässlichkeit eines Schweizer Uhrwerks lässt er uns in schöner Regelmäßigkeit mit seinen Entgleisungen und vorschulkindlichen Ansichten auch nie im Stich, aber von der Europäischen Union habe ich deutlich mehr erwartet, zumindest schnelle und unbürokratische Hilfe sowie uneingeschränkte Solidarität.
Die Europäische Union wird stark geschwächt und mit weit weniger Ansehen als zuvor aus dieser Krise hervorgehen, so denke ich zumindest. Das Ruder jetzt noch herumzureißen erscheint mir eigentlich schon zu spät. Ist Europa gelähmt? Ist es auch überrascht worden? Nein, es war Zeit genug nach dem Ausbruch in China im Dezember 2019, Zeit genug zu reagieren und zu überlegen, was da auf uns zukommen könnte. Spätestens jetzt müssten die Nachrichten doch voll von Hilfsprogrammen und Unterstützung sein. Ja, aber von Europa hört man dieser Tage nicht viel, Weitsicht ist nicht zu erkennen, um mir dieses Wortspiel mit einer der Bedeutungen Europas zu erlauben.
„Freude schöner Götterfunken,“ dieser wunderbare Titel gilt zumindest in Europa wohl nur für gute Zeiten, in den schlechten und schwierigen Tagen zeigt sich die ganze Handlungsunfähigkeit. Beethoven hat mit Schillers Ode an die Freude ganz sicher andere Vorstellung gehabt und diese EU zeigt sich den Inhalten ihrer Hymne als unwürdig. „Alle Menschen werden Brüder“, ja, solange wir in guten Zeiten stecken und unseren Beitrag in harten Euro zahlen, in schlechten Zeiten sucht man die Scheidungspapiere. Der europäische Weg ist ein bürokratischer, er ist mit Tonnen von Papier nur abschreckend aber kein Instrument der schnellen Hilfe, ein Wirtschaftsstandort für Monopolyenthusiasten, keine Solidargemeinschaft. Ich warte nur noch darauf, dass Staaten mit Ende der Krise von der EU gerügt werden, weil sie sich innerhalb der Krise so und so verhalten haben werden. Dann werden wir uns fragen, ob Trump vielleicht die EU angesteckt hat.